Luftschutz-Gruppenschule am Strohdeich

Es war Montag, den 17 November 1941. Am Ende des Polnischen Hakens begann gerade eine weitere Ausbildung für diejenigen, die schon bald den Danziger Himmel vom Land aus schützen und Teil der sog. Luftabwehr sein sollten. Die Ausbildung dauerte nicht lange, nämlich nur vier Tage. Zuerst lernten sie in der hölzernen Schulungshalle den Aufbau der Waffen kennen, die sie später bedienen sollten. Danach gingen sie nach Draußen, um die Waffen genauer unter die Lupe zu nehmen, sie anzuschauen, anzufassen und alle Geheimnisse ihrer Bedienung kennenzulernen. Wie lief es ab? Vielleicht zum Teil so, wie es Gerhard Jeske in seinen Erinnerungen im Buch „Engel mit Trompete” beschrieb…

Das Jungchen lief in östlicher Richtung am Festungswall entlang. (…) Der Graben führte zu einem Unterstand der Bastion. Junge Flakhelfer hausten darin. Trotz der gefährlich nahen Einschläge mußten sie an der 8-komma8-Kanone das Karussellfahren üben. Die kurzen, heiseren Befehle des Feldwebels intonierten gegen das Grollen der Front die Kriegsliturgie. Wieseelenlose Automaten sprangen die Lehrlinge und Oberschüler um das kreisende Geschütz herum. Sie probten hier ihre Himmelfahrt.

Nachdem die Waffen keine Geheimnisse mehr vor den Hauptdarstellern der Schwarz-Weiß-Aufnahme hatten, konnten sie wahrscheinlich die Prüfung ablegen. Zum Abschluss ließ sich die ganze Gruppe – sowohl die Lehrer als auch die Schüler – zufrieden mit ihrem Ausbildungserfolg, auf dem Bild verewigen. Einer der damaligen Teilmehmer klebte das Bild in seinen Album ein und beschriftete es mit Füller, wodurch wir heute genau wissen, was auf dem Bild abgelichtet wurde. Luftschutz-Gruppenschule Danzig (Strohdeich 16) 17-20 XI 1941. Wer weiß – vielleicht ist es das einzige erhaltene Bild von diesem so schwer erreichbaren Gelände.

´Wir haben Jan Daniluk um einen Kommentar zu diesem Bild gebeten.

Die Aufnahme wurde vor dem Hauptgebäude der Landesluftschutzschule DLB gemacht, d.h. in der Zeit der Freien Stadt Danzig, denn nach dem Ausbruch des Krieges hieß sie RLB, also eben Gruppenluftschutzschule.

Und nun einige Erläuterungen zu den Umständen, unter denen das Bild entstand und zu den Abkürzungen, die in der Beschriftung verwendet wurden:

Während des Krieges stieg auch die Bedeutung des Reichsluftschutzbundes (RLB). Seine Strukturen unterstanden der LS-Polizei. Die Anfänger dieser Formation reichen in Danzig bis in die Zwischenkriegszeit zurück – bereits im Juni 1933 wurde in der Freien Stadt Danzig der Danziger Luftschutzbund DLB gegründet, formal unabhängig, jedoch streng nach dem Vorbild des bereits damals im Deutschen Reich existierenden RLB organisiert. Anfangs wurde das Gebiet der Städte Danzig und Zoppot in neun DLB-Bezirke aufgeteilt, jedoch mit der Zeit wuchs ihre Zahl (1939 waren es 11). Parallel zum Ausbau des DLB wurden auch Chemiewehr- und Luftschutzschulen unter der Leitung der Danziger SS eröffnet. Zum Zeitpunkt des Ausbruchs des Krieges zählte der DLB bereits 2300 aktive Amtsträger. Der Bund wurde auch schnell (als eine der ersten Danziger Organisationen) vereinheitlicht – bereits am 5 Oktober 1939 wurde er dem RLB einverleibt. Nach der Gründung des Reichsgaus Danzig-Westpreussen wurde dementsprechend die RLB-Bezirksgruppe Danzig-Westpreussen gegründet, deren Leitung ihren Sitz am Elisabethwall hatte. Die Danziger Garnison innerhalb der RLB-Strukturen bestand anfangs aus zwei Ortsgruppen: „Danzig”- für die Innenstadt, Schidlitz und Langgarten (7 Bezirke) und „Langfuhr-Zoppot” – für Langfuhr, Neufahrwasser, Oliva und Zoppot (5 Bezirke). Nach der Eingliederung Prausts (1 April 1942) entstand die dritte RLB-Ortsgruppe „Danzig-Land”.

Der RLB war eine Massenorganisation des Nazi-Deutschlands. Allein in Danzig soll er im Januar 1940 bereits 82 Tausend Mitglieder gehabt haben, darunter 3000 Amtsträger. Wie beim DAF war auch die Mitgliedschaft im RLB, obwohl theoretisch freiwillig, in Wirklichkeit erzwungen worden. In Danzig, wie schon früher in anderen Städten des III Reiches, entstanden auf der sublokalen Ebene (im Rahmen der RLB-Bezirke) LS-Gemeinschaften, die von RLB-Mitgliedern, die ein bestimmtes Haus oder Straßenabschnitt bewohnten, gegründet. Sie waren für die Organisation von LS-Warten und die vorschriftsmäßige Ausstattung der Luftschutzbunker verantwortlich. Inspektion der letzteren gehörte zu den Hauptaufgaben der Amtsträger des RLB, die auch die Einhaltung der Verordnung der Verdunkelung kontrollierten. Nicht selten wurden sie von der Polizei begleitet, um die Wirkung zu erhöhen. Außerdem führte der RLB auch Schulungen im Bereich des Luftschutzes und der ABC-Abwehr durch, zu denen auch die Ausbildung von Beobachtern gehörte.

Solche Kurse wurden vom RLB in Danzig und Zoppot ab dem Jahre 1941 auch in Industriewerken durchgeführt (Werkluftschutz).

Buchausschnitt: J. Daniluk, „Miasta skoszarowane”. Gdańsk i Sopot jako garnizon Wehrmachtu w latach 1939-1945, Gdańsk 2019, S. 345-346 veröffentlicht mit Einverständnis des Autors.
Die Geschichtserzähler verfügen über ein Exemplar dieses Buches und legen es jedem Liebhaber der Danziger Geschichte wärmstens ans Herz.

Nach dem II Weltkrieg funktionierte an der Stelle die Fischergenossenschaft /Arbeitsgenossenschaft der Seefischerei „Jedność Rybacka”. Achtung – nicht zu verwechseln mit dem Fischverarbeitungswerk Gedania, der seit 1990 als Fischwerke Danzig (Zakłady Rybne Gdańsk) umbenannt wurde und am Strohdeich 7 (Sienna Grobla 7) funktionierte. Heute befindet sich das Gelände am Polnischen Haken in privaten Händen und ist für folgende Konzeptbebauung vorgesehen. Genauer wurde das Thema im Jahre 2015 auf Trojmiasto.pl beschrieben. Die alte Fischverarbeitungshalle aus Holz existiert nicht mehr, obwohl sie angeblich noch vor etwas mehr als 10 Jahren genau dort gestanden haben soll, wo am 16 November 2019 das zeitgenössische Bild gemacht wurde.

Das Foto aus dem Jahre 1941 stammt aus der Sammlung der Geschichtserzähler der Niederstadt in Danzig. Abbildung der Kanone 8,8 cm Flak 37/2 ist gemeinfrei. Autor –Balcer~commonswiki. Das zeitgenössische Bild der Kanone wurde vom Autor dieses Artikels gemacht.

Autor des ersten Teils des Artikels ist Jacek Górski.

Übersetzung – Andreas Kasperski.

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2 komentarze

  1. Wojciech pisze:

    A gdzie jest polska wersja tego opowiadania?

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