Der Gedrehte
Jeder von uns hat so seine Kindheitserinnerungen, sowohl gute als auch schlechte. Ich scheine mir ein Glückskind zu sein, weil ich bis auf paar kleine Wehwehchen (aus der heutigen Perspektive betrachtet) wie eine beleidigte Freundin… oder zwei…, fast nur gute Erinnerungen habe. Wir spielten so wie es in der damaligen Zeit so üblich war. Doch heute wollte ich von einem riesigen Berg erzählen, den meine Freundin „Der Gedrehte” nannte. Heute weiß ich natürlich, dass dieser Berg ganz anders heißt, mehr wissenschaftlich – Bastion Maidloch.
Vielleicht waren es andere Zeiten damals oder auch unsere Eltern, die durch den Krieg selbst so gut wie keine Kindheit hatten, schenkten uns mehr Vertrauen und Freiheit. Und so liefen wir Kinder frei durchs ganze Viertel und dachten sich immer wieder neue „Beschäftigungen” aus.
Im Sommer spielte man Verstecken (nicht nur in Kellern und Hinterhöfen), Krieg (wie in den bekannten Fernsehfilmen), Indianer und Cowboys (Winnetou), eroberte Bäume und schwamm im Kanal, wie man es damals nannte. Die mutigeren Jungs „bestanden die Prüfung” mit dem Sprung in die Tiefe vom fahrenden Güterzug und alle anderen sprangen „normal“ von der Steinschleuse. Eine weitere Beschäftigung war das Erkunden des „Bunkers“ unter dem Gedrehten und die Suche nach seinen Verbindungen zu anderen Stadtteilen. Erzählungen, dass sich dort jemand schon mal verlaufen habe oder gar verlorengegangen sei, machten es nur noch spannender.
Der Winter war allerdings viel interessanter für die Adrenalinsüchtigen. Die Schlittenfahrt von der Spitze des Gedrehten zählte dabei zu den großen Leistungen. Die Jungs schossen mutig hinunter. Aber auch einigen Mädchen (darunter auch mir) ist es gelungen schadenlos hinunter zu fahren. Der zugefrorene Wassergraben um den Gedrehten war auch eine Attraktion für diejenigen, die das Schlittschuhfahren beherrschten. Aber auch da musste man vorsichtig sein, denn wo der Wasserstrom stärker war, da war auch die Eisschicht dünner. Wir waren zwar kreative Kinder aber gleichzeitig mit einem gutausgeprägten Selbsterhaltungstrieb. Und deshalb haben wir jetzt so viele tolle Erinnerungen…
Die schwarz-weiß Bilder stammen aus dem Album von Andrzej Sroga. Die Farbaufnahmen von Elżbieta Woroniecka.
Text: Elżbieta Woroniecka.
Übersetzung – Andreas Kasperski.
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