Der Milchkannenturm auf Postkarten (Teil IV)
Ich kenne nur eine Winteransicht des Milchkannentores, festgehalten auf einer farbigen Postkarte. Und zunächst wollte ich blöderweise deren Beschreibung im Juli oder August veröffentlichen. Aber die Winterstimmung vor den Fenstern hat mich dazu gebracht, meine Meinung zu ändern.
„Und überall liegt der Schnee…” – man könnte dieses Lied des Kabaret Starszych Panów (Kabarett der älteren Herren) dabei summen. Schnee bedeckte die Niederstadt vor einiger Zeit von einem Ende zum anderen. Vielleicht schneite es die ganze Nacht, den ganzen Tag und die nächste Nacht. Er bedeckte die Große und die Kleine Milchkanne. Er bestreute die Dächer der Speicher auf der Speicherinsel und die der nahegelegenen Mietshäuser. Es wurden die Kais und die in den Boden gestanzten Holzpfähle beschneit. Auch der Bürgersteig und das Geländer, das ihn von dem steilen Ufer trennte, wurden mit Schnee bedeckt. Und der Frost ließ die Neue Mottlau mit einer dicken Eisdecke erstarren.
Vor dem Besuch des Fotografen war jedoch die Temperatur gestiegen und der Schnee schmolz langsam dahin. Kleinere oder größere Eiszapfen schmücken die Spitzen der Milchkanne. Auch die Eisschollen auf der Neuen Mottlau lösten sich langsam auf. Obwohl durch die Schifffahrt in der Mitte des Flusses das Eis längst zerbröckelt oder das Wasser erst gar nicht richtig zugefroren war. Und der Bürgersteig in Mattenbuden war bereits stark abgelaufen und zertrampelt. Er wurde doch sicher auch u.a. von den Schuhen des Fotografen betreten, da er kein Ausrutschen auf der Mattenbudenbrücke riskieren wollte und sich deshalb am rechten Ufer der Neuen Mottlau platzierte, mehr oder weniger auf der Höhe des heutigen Wohnblocks in der Szopy-Straße 1. Er richtete seine Kamera auf die Milchkannenbrücke und das daneben liegende Stadttor. Und er sah das, was eben beschrieben wurde. Außerdem wurde die Postkarte mit „Partie am Milchkannenturm (Wintermotiv)” betitelt.
Wenn man jedoch ins Detail geht, lohnt es sich, den auf dem rechten Brückenkopf der oben genannten Brücke montierten Mechanismus zu beachten. Über die Brücke fährt eine Kolonne hölzerner Pferdewagen. Schauen Sie sich diese genauer an – man hat den Eindruck als würden sie Schnee in die Rechtstadt transportieren – oder?… Am linken Ufer, leicht über das Wasser ragend, liegt ein einsamer Holz- oder Eisenbalken. Mehrere andere lagern in der Nähe der Mauer des Milchkannentores. Und die ganze Ansicht wird durch den Schnabel eines Holzkahns (vielleicht ist es auch ein Leichter?) ergänzt. Moment mal … ein Balken über dem Wasser und ein Lastkahn … ein Lastkahn und ein Balken auf eine so charakteristische Weise zueinander angeordnet… wurde nicht bereits anderswo ein ähnliches Bild gezeigt …?
Natürlich kamen damals viele solcher Lastkähne an diesen Ort. Und die erwähnten Balken wechselten mehrmals ihre Position, was auf späteren Postkarten mit dem Milchkannentor in der Hauptrolle zu sehen sein wird. Aber andererseits sieht man beim Vergleich der beiden Postkarten nicht allzu viele Veränderungen in der Landschaft. Die Litfaßsäule steht wie immer an derselben Stelle. Die Straßenbahnvorrichtungen auf beiden Seiten der Brücke sind noch im Einsatz. Es ist also möglich, dass der Fotograf, der das erste Foto machte, nach einiger Zeit beschloss, an denselben Ort zurückzukehren, um zu sehen wie dieser jetzt aussieht. Und wenn er sich nur an dieselbe Stelle gestellt hätte, dann könnten wir nun das eine Foto über das andere legen und mit der Maus am Computer leicht von einer Ansicht zu der anderen wechseln …
Berlin 74407. Herausgeber: Ch.L.i.B. Gut. 692 W. Die Buchstaben Ch.L sind die Initialen des Vor- und Nachnamens von Charles Lehmann.
Die Originalpostkarte – nicht aus dem Umlauf- stammt aus der Sammlung der Geschichtserzähler der Niederstadt in Danzig.
Autor des Artikels: Jacek Górski.
Übersetzung – Andreas Kasperski.
Lesen Sie auch:
Der Milchkannenturm auf Postkarten (Teil I)