Königliche Gewehrfabrik auf Postkarten (Teil I.)
Ende 2017 haben wir auf unserer Website eine Postkarte aus dem Jahr 1900 gezeigt und näher beschrieben, die einen Teil der Weidengasse (Łąkowa) mit den Mietshäusern 30, 29, 28, 27 und einigen davorstehenden zeigt. Jetzt ist es an der Zeit, auf die andere Seite dieser Straße zu schauen – zwar zur gleichen Jahreszeit, aber vor über 120 Jahren. Und dieser Teil der Straße wurde damals von den Gebäuden der Königlichen Gewehrfabrik dominiert. Deshalb lautet auch die Beschriftung auf der Postkarte – Königl. Gewehrfabrik.
Der damalige Fotograf stand ungefähr auf der Höhe des heutigen Mietshauses mit der Nummer 30. Links im Bild sieht man deutlich ein Fragment des zweistöckigen Mietshauses mit der Nummer 28, des dreistöckigen Mietshauses mit der Nummer 27 und des gleich hohen Gebäudes mit der Nummer 26. Die Gestalt der weiterstehenden Mietshäuser ist nicht mehr so deutlich zu erkennen. Die Sicht wird auch durch einen in der Mitte der Gasse stehenden Baum verstellt. Aber das Ziel des Fotografen war nicht diese Straßenseite. Er wollte mit seiner Kamera die Gebäudezeile auf der gegenüberliegenden Straßenseite verewigen – die Königl. Gewehrfabrik (heute KFK). Angefangen bei dem Eingangstor, das der Kirche in der Weidengasse am nächsten liegt, über die nächsten drei Gebäude, die auch durch Tore getrennt sind (obwohl das erste und das dritte Gebäude ein Ganzes bilden, sind sie in Form eines charakteristischen Hufeisens miteinander verbunden, was am besten auf den Fotos zu sehen ist, die mit der Drohne gemacht wurden). Schade, dass die Silhouetten dieser am weitesten entfernten Gebäude so verschwommen sind. Bisher haben wir auch keine konkreten Aufnahmen von diesem Teil der Weidengasse (Łąkowa) gefunden. Zur Erinnerung – es geht uns hier genauer um den Bereich, in dem heute die Firma LPP ihre Büros hat.
Aber kommen wir doch zurück zu den sichtbaren Gebäuden. Zwei Details sind beachtenswert. Die Säulen am zentralen Tor sind mit Statuen von Steinvögeln – höchstwahrscheinlich Adlern – geschmückt. Das erste und das dritte Tor sind frei von solchen Ornamenten. Dies ist das erste Detail. Das zweite – die oberen Fenster im ersten Gebäude von links sind identisch mit den Fenstern im dritten Gebäude. Den Grund dafür haben wir bereits genannt. Dies ist jedoch beim ersten Gebäude seit vielen Jahren nicht mehr der Fall. Die oberen Fenster in diesem Gebäude wurden teilweise umgebaut und teilweise neu eingesetzt. Sie ähneln nun klassischen Wohnzimmerfenstern. Und noch etwas – es wohnte dort in den 60er, 70er und 80er Jahren (wenn nicht sogar früher) eine Familie im obersten Geschoss. Und es kam mir immer seltsam vor, dass ihre beiden Fenster sich fast auf der Bodenhöhe befanden. Doch durch den Vergleich der Originalpostkarte mit der aktuellen Ansicht lässt sich die seltsame Position der modernen Fenster leicht erklären.
Der Text auf der Postkarte wurde am 1. April 1900 geschrieben. Unterschrieben von: Elise, Martha, Anna, Gertrud, Clara, Fritz, Papa und Mutter mit dem gemeinsamen Namen Röesler, aus dem Vorstädtischen Graben (Podwale Przedmiejskie) 37. Am nächsten Tag wurde die Karte bei der Post in Danzig nach Berlin an Herrn B. Kronke abgeschickt. Der auf dieser Karte verwendete Buchstabe B steht für den Namen Bernhard. Woher wissen wir es?… An dieser Stelle müssen wir auf die Postkarte vom Juni 1900 mit Blick auf die Weidengasse zurückkommen. Warum?… Weil auch diese Postkarte an dieselbe Person adressiert war. Nur auf der anderen stand der voller Vor- und Nachname des Empfängers. Damals wohnte diese Person allerdings noch nicht in Berlin, sondern in Frankfurt am Main. Und die Karte wurde von Gertrud Röesler geschrieben, die bereits mit Vor- und Nachnamen erwähnt wurde. Wer weiß – vielleicht hat sie beide Postkarten geschrieben…
Herausgeberin der Postkarte mit Blick auf die Königliche Gewehrfabrik war Clara Bernthal aus Danzig, die uns aus mehreren zuvor besprochenen Postkarten bekannt ist. Diese Postkarte hat keine zusätzlichen Buchstaben oder Zahlen, im Gegensatz zu der mit der Nummer 18494, der mit der Nummer 35611 oder der mit der Nummer A 48281. Es gibt jedoch Beispiele für andere Postkarten, die mit demselben Firmennamen signiert wurden, aber auch ohne jegliche Nummerierung in Umlauf kamen. Dies war bei dieser, dieser und jener Postkarte der Fall. Vielleicht wurden zu Beginn der Tätigkeit der Firma keine zusätzlichen Markierungen verwendet.
Die präsentierte Originalpostkarte stammt aus der Sammlung der Geschichtserzähler der Niederstadt in Danzig.
Der Autor des Artikels und des zeitgenössisches Fotos aus dem Fenster: Jacek Górski.
Übersetzung – Andreas Kasperski.