Langgarter Tor auf Postkarten (Teil II)

Der Fotograf hatte an diesem Tag besonders viel Pech. Zuerst kam er zu spät ins Atelier. Später sprach ihn jemand auf der Straße an und so diskutierten sie knapp 10 Minuten lang. Und in Wirklichkeit ging er los, um einige Bilder vom Langgarter Tor zu machen. Und als er das Tor endlich erreichte, stand direkt davor irgendein Mann und wartete auf etwas oder auf jemanden. Der Unbekannte war eindeutig etwas mächtiger in Gestalt als der Fotograf und schaute den auch noch komisch an, somit kam ein Gespräch nicht infrage. Er wollte lieber nichts riskieren. Letztendlich hätte er ja auch auf die andere Seite des Tores gehen, von der Seite der St. Barbara Kirche und von dort aus fotografieren können, nur leider wäre diese Ansicht des Tores nicht ganz so schick wie die andere. Er beschloss somit einfach zu warten, stellte sich auf die Seite und hoffte auf günstige Entwicklung der Lage. Eine Straßenbahn fuhr vorbei, über die Straße lief ein kleiner Junge mit einem Buch unter dem Arm, aus der Ferne erreichten seine Ohren das Quieken der Schweine und das Muhen der Kühe aus dem nah gelegenen Städtischen Schlachthof. Es sah ganz danach aus als sollte es ein langes Warten werden. Der Mann am Tor schaute sich ständig um. Doch plötzlich kam ein Pferdefuhrwerk vor das Tor angefahren mit zwei weiteren Männern, die dem Wartenden etwas gesagt haben und wieder zurück auf ihren Platz gingen. Dann holten sie hinten am Wagen ein Brett heraus, legten es schräg an und rollten darauf einen runden, dem Fotografen unbekannten Gegenstand hinunter auf die Straße. Anschließend nahmen sie noch einige Werkzeuge aus dem Wagen und fingen an laut zu reden und an der Straßenoberfläche irgendwas damit zu machen. Ohne Zweifel könnte es eine längere Reparatur werden.

Dementsprechend verzichtete unser Fotograf auf weiteres Warten. Er stellte seinen Fotoapparat auf, prüfte die Entfernung, verschob ihn etwas nach hinten, prüfte noch einmal die Distanz und die so erreichte Perspektive schien ihm gefallen zu haben. Und als er schon bereit war das Foto zu knipsen, hörte er von Weitem diesen charakteristischen Klang. Er änderte schnell sein Konzept und wartete bis die Straßenbahn kommt. Und als diese in der linken Ecke seines Blickwinkels kam, verewigte er diese Ansicht mit einer geschmeidigen Handbewegung. Mit Absicht suchte er so eine Stelle aus, von der aus er nicht nur das Tor selbst, sondern auch andere es umgebende und interessante Elemente zu sehen bekommt. Und so kam ins Bild auf der rechten Seite ein niedrigerer und ein hoher Zaun, eine Straßenlaterne und ein Wohnhaus mit zwei Stockwerken und einem schrägen Dach, mit der Anschrift Langgarten 67. Auf der linken Seite sieht man dagegen den Turm der nahe gelegenen Kirche, einen Teil der mittleren Allee bewachsen mit dichten Bäumen, ein Pferdefuhrwerk, dass in Richtung des Fotografen fährt, einen Mann in heller Hose und dunkler Jacke, der ein Mädchen im weißen Kleid an seiner Hand hält. Und eine Frau mit Korb. Und alles wird ergänzt durch das, worauf unser Fotograf am meisten stolz war, den Straßenbahnwaggon. Durch diese Maßnahme werden die meisten Betrachter des Bildes von dem Pferdefuhrwerk vor dem Tor und den Bauarbeitern abgelenkt, hat er sich gedacht. Und selbst wenn nicht, dann wandert der Blick des Betrachters gleich wieder auf die anderen Details.

Und wie finden unsere Leserinnen und Leser diese Maßnahme? Gelang es dem Fotografen damals mit diesem Trick des Ziel zu erreichen? Kann er auch nach all den Jahren immer noch mit seiner Bildkomposition zufrieden sein?

Das einzige Zeichen auf dieser Postkarte (vielleicht doch ein Hinweis auf den Herausgeber) sind die Buchstaben C.B.D. in der linken Ecke unten, wo die Adresse des Empfängers eingetragen werden sollte.

Die präsentierte Originalpostkarte (nicht im Umlauf) stammt aus der Sammlung der Geschichtserzähler der Niederstadt in Danzig..

Text: Jacek Górski.

Übersetzung – Andreas Kasperski.

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