Möbelfabrik in der Grabengasse 9
Das Bild stammt nicht von mir. In dem abgebildeten Haus in der Niederstadt wohne ich erst seit 2006. Früher mietete ich eine Wohnung in der Wiesengasse (poln.Wierzbowa). Die Anschrift auf dem Bild lautet Grabengasse 9AB. Mit der Wohnung unter dieser Adresse fand ich auch meinen Platz auf Erden und gleichzeitig fantastische Menschen-meine Nachbarn. Die Geschichte dieses Bildes ist genauso interessant wie die unseres Viertels und der Menschen, die es bewohnen.
Das Bild gehört Herrn Andrzej Adamowicz, meinem Nachbarn, der im Alter von 5 Jahren zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern aus Vilnius nach Danzig kam (Übereinstimmung des Familiennamens mit dem unseres Stadtpräsidenten ist rein zufällig). Das gescannte Bild veröffentliche ich hier mit seinem Einverständnis. Bis vor Kurzem dachte ich, es sei vom Andrzejs Vater aufgenommen worden. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass das Bild wesentlich älter ist als ich vermutet habe. Familie Adamowicz hat nach ihrer Ankunft in Danzig die Wohnung in der obersten Etage bezogen und fand das Bild in den hinterlassenen Sachen der früheren Bewohner, was uns vermuten lässt, dass es aus der Zeit des II Weltkrieges oder gar der davor stammt. Wir haben in den alten Adressbüchern nachgesehen und die vierstellige Telefonnummer weist auf die Mitte der 20er Jahre hin. Herr Andrzej erinnert sich, dass bevor seine Familie die Wohnung beziehen konnten, sein Vater sie von einer Bombe, die die Außenwand durchbrach und in der nächsten Wand steckenblieb, „entschärfen“ musste.
Dank dem Schild über dem Eingangstor und Erzählungen älterer Nachbarn wissen wir, dass der frühere Hauseigentümer ein gewisse Herr Adolf Darms war, der eine Tischlerwerkstatt besaß, in die man durch das große Tor gelangte (übrigens wurde vor zwei Jahren das Tor originalgetreu rekonstruiert, nachdem vor ca. 20 Jahren das Original demontiert wurde). Über dem Tor befand sich in der ersten Etage das Büro der Tischlerei, das nach dem Krieg zu einer Wohnung umfunktioniert wurde. Man gelangte dorthin über eine Holztreppe vom Hinterhof aus. Die Wohnung im Erdgeschoss, die ich 2006 gekauft habe, bewohnte angeblich der Hauseigentümer selbst, während in den oberen Etagen Mietswohnungen waren. Interessant-zusammen mit der Wohnung habe ich auch einen Schrank erworben, der nach Aussagen des Vorbesitzers der Wohnung, schon immer da war und wahrscheinlich ein Werk der früheren Schreinerei sei.
Mit dem früherem Eigentümer unseres Hauses ist allerdings eine traurige Geschichte verbunden. Er soll von Russen erschossen worden und unter dem nicht mehr existierenden Baum im Hinterhof begraben worden sein. Ich muss immer wieder daran denken wie viel Wahrheit in der Geschichte steckt und ob es irgendwann jemandem gelungen ist, das Grab zu finden und seine Überreste auf einem Friedhof zu begraben…
Text: Agnieszka Pszczołowska.
Übersetzung – Andreas Kasperski.