Porzellan aus der Reitergasse

Nach dem II Weltkrieg befand sich hier eine riesige Grünfläche, die die älteren Bewohner unseres Viertels an die Holzbretttanzflche und die jüngeren an die alljährliche Kirmes oder das Auto der Marke Renault Fuego erinnern wird. Von der einen Seite blickte auf diesen Platz das Gebäude der gelben Kaserne, von der anderen das der roten Kaserne, von der dritten einige Wohnhäuser von der Reitergasse und die Blechwarenfabrik. Zig Jahre lang stand fast genau in der Mitte des Platzes eine Blechbaracke, die je nach Zeitabschnitt, die Funktion eines Arbeiterhotels, eines Architektenbüros, einer OHP-Stelle und eines AA-Klubs erfüllte. Heutzutage verläuft dort genau durch die Mitte die Ost-West Tangente. Wisst ihr jetzt schon welchen Platz ich meine?…

Doch wie sah dieser Ort vor dem Kriege aus? Diese Niederstädtische Insel (auf dem Stadtplan oben als grünes Viereck gekennzeichnet) war damals von allen Seiten mit Straßen umgeben. An der Frontseite in der Weidengasse (Łąkowa) stand auf der ganzen Länge ein mittelgroßes Wohnhaus mit der Nummer 55. Weitere drei Häuser standen in der Reitergasse und der Herrengarten Str. In der Herrengarten Str. stand ein genauso langes Gebäude, das allerdings die Anschrift Reitergasse 14 trug (vorher standen hier zwei separate Häuser), auf der anderen Seite stand ein weiteres Gebäude mit der Hausnummer 15 und von ähnlicher Länge. In den Adressbüchern erhielt dieses Gebäudekomplex meistens die zusammengehörigen Nummern 13/14/15 und wurde meistens mit der Anschrift der dort vor dem Krieg funktionierenden Blechwarenfabrik in Verbindung gebracht. Doch dieses Gelände wurde von den Kunden nicht nur wegen der Büros dieser Fabrik besucht.In den dreißiger Jahren begann unter der Anschrift Reitegasse 15 seine Tätigkeit der Kaufmann Samson Scharf , der ursprünglich am Poggenpfuhl 60 wohnte und später am Hansaplatz 4. Er verkaufte Porzellan und Steinzeuggefässe. Für seine Firma warb er mit der Beschreibung als General- und ausschließliche Vertretung der größten Porzellanfabrik von Stanisław Mańczak aus Chodzież und der Porzellanfabrik „Ćmielów”. Die lokale Presse berichtete – „dank der Bemühungen der Danziger Vertretung, decke die Porzellanfabrik aus Ćmielow in Danzig ca. 95 % des Bedarfs”.

Samson Scharf aus der Reitergasse 15 wurde zum letzten Mal in den Jahren 1938/1939 erwähnt. Dies betraf wahrscheinlich seine Tätigkeit bei der Firma Scharf & Kadlubowski G.m.b.H., die in der  Münchengasse (Żytnia) 4/5 funktionierte, erst Eisen und Papier exportierte und sich später dem Handel mit Haushaltsgegenständen und Aluminiumartikeln widmete. Im Jahre 1924 erschien folgende Anzeige in der Presse:

Unter der gleichen Anschrift funktionierte von 1936/1937 bis 1939 auch eine andere Firma, die sich dem Grosshandel mit Porzellan, Glas, Steinzeug und Lampen widmete. Sie hiess Kochmann E & R G.m.b.H. – die Inhaber Elias Kochmann, wohnhaft erst  am  Schusseldamm (Łagiewniki) 49 und später in der Trojangasse (Seredyńskiego) 6, und Richard Kochmann,  der erst am Fuchswall (Lisiej Grobli) und später in der Weidengasse 1 a wohnte. In den Jahren 1935/1936 betrieben sie ihr Geschäft fast am selben Ort, denn in der Weidengase 55.

Das Schicksal des Kaufmanns Scharf während und nach dem Krieg ist uns nicht bekannt.  Was die  Kochmanns  aus der Niederstadt betrifft, gelang es uns im Internet herauszufinden, dass Elias wahrscheinlich am 26 April 1942 im Alter von 71 Jahren verstorben sei. Es ist uns auch gelungen, einige Informationen über Stanisław Mańczak aus Chodzież zu finden. Auch ihm gegenüber war das Schicksal nicht gnädig, was der veröffentlichte Zeitungsartikel vom Dezember 1937 anlässlich seines Todes beweist.

Die viereckige Werbeanzeige stammt aus  „Dzień Bydgoski” – Nr. 146 vom 29 Juni 1933, Seite 28 (identische Anzeige erschien auch in „Gazeta Gdańska” – Nr. 145 vom 29 Juni 1933). Die quadratische Anzeige stammt aus „Dzien Bydgoski” – Nr. 151 vom 8 Juli1934, Seite 15. Zitat aus „Dzien Bydgoski” – Nr. 239 vom 18 Oktober 1933, Seite 8. Die Pressemitteilung über Stanisław Mańczak  aus  „Nowy Kurjer: dziennik poświęcony sprawom politycznym i społecznym” – Nr. 283 vom 10 Dezember 1937, Seite  9. Der Ausschnitt aus dem Jahre 1924 stammt aus dem „Staatsanzeiger für die Freie Stadt Danzig” – Nr. 138 vom 10 Dezember 1924, Seite 833.

Stadtplanausschnitt aus dem Stadtplan von Danzig um 1930, der online verfügbar ist. Teller aus Ćmielow ist Eigentum von Elżbieta Woroniecka.

Text: Jacek Górski.

Übersetzung: Andreas Kasperski.

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