Sonntagsbegegnungen mit Kunst
Seit meiner Kindheit habe ich mich für „alte Dinge” interessiert. Meine viel ältere Schwester Krysia beschloss, sich an der Nikolaus-Kopernikus-Universität in Thorn an der Konservierungsfakultät einzuschreiben. Darauf musste sie sich gründlich vorbereiten. Sie zeichnete wunderschön, und ich diente ihr oft als Modell. Sie musste sich auch theoretisches Wissen aneignen. Nicht nur Bücher, sondern auch Vorlesungen und Vorträge in Kombination mit Filmen über Malerei, Bildhauerei und Kunstgeschichte. Diese fanden jeden Sonntag im nahe gelegenen Pommerschen Museum in der Torunska-Straße (Thornscher Weg) statt.
So gingen wir jeden Sonntag statt in die Kirche in der Łąkowa-Straße (Weidengasse) in die entgegengesetzte Richtung, ans andere Ende der Toruńska-Straße zum Kunsttempel. Um die Mittagszeit begannen Dokumentarfilme, die Themen von der antiken Kultur bis zur zeitgenössischen Kunst behandelten. Ich fühlte mich in dem Museum wie zu Hause. Damals (es war in der ersten Hälfte der 1960er Jahre) musste man hässliche Filzpantoffeln tragen, die man aus einer riesigen Kiste nahm, die im Foyer des Museums direkt neben der Garderobe stand. Sie enthielt in der Regel viel zu große Größen, aber ich (vielleicht wurde ich ein bisschen wie ein Maskottchen behandelt) ließ mir von den Damen an der Garderobe die kleinstmöglichen einpacken.
Nicht alle Vorlesungen interessierten mich in gleichem Maße. Deshalb gönnte ich mir während ihrer Dauer andere Zeitvertreibe. Entweder schlenderte ich in diesen Filzpantofeln die Gänge entlang und blieb vor der Statue des Heiligen Georgs stehen, der den Drachen tötet, die stolz am Ende eines Ganges stand und jetzt das Innere des Artushofes schmückt. Oder ich schlenderte herum und bewunderte die Exponate. Das Gemälde, das mich immer am meisten beeindruckt hat, war Hans Memlings Das Jüngste Gericht. Ich betrachtete einen Teil des Triptychons, die Hölle. Die äußerst eindrucksvollen Gesichter der leidenden Menschen, die furchterregenden Figuren der Teufel, ihre Augen und Fratzen tauchten oft in den Albträumen von Kindern auf, wenn das Fieber während einer Krankheit hoch war. Doch bei meinem nächsten Besuch im Museum zog es mich wieder etwas in den Teil des Museums, in dem sich das Gemälde befand.
Aber es war nicht nur das Jüngste Gericht, das ich mir ansah. Auch andere Kunstwerke sind mir im Gedächtnis geblieben. Mir gefiel die Holzskulptur eines Professors der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste (der heutigen Akademie der Bildenden Künste), Alfred Wisniewski, die die Figur eines Mädchens darstellte. Ich bewunderte die Gemälde, die das alte Danzig darstellten, und die schönen Alltagsgegenstände. Ich glaube, schon damals hat mich das Geschichtsfieber gepackt, das sich zu einer Krankheit namens Leidenschaft entwickelte.
Autorin der Memoiren: Elżbieta Woroniecka.
Übersetzung – Andreas Kasperski.
Die schwarz-weiße Postkarte des Pommerschen Museums wurde 1965 veröffentlicht. Der Autor der Fotografie war J. Uklejewski. Symbol 22-1032. Zam. III 504 66. Auflage 5000 Exemplare. E-6 65.
Das Postkartenset aus dem Pommerschen Museum enthält einen grafischen Entwurf von Janusz Stanny, Foto von J. Korpal, 1965.
Das Postkartenset von Hans Memling enthält Farbfotografien von Tadeusz Bieliński.
In allen drei Fällen war der Herausgeber: Biuro Wydawnicze „RUCH”.
P.S. Ich bewahre immer noch ein Notizbuch mit den Notizen meiner Schwester zu den Vorlesungen an der Nikolaus-Kopernikus-Universität in Thorn auf.